27.06.2024
Lautes Leid, stille Not, grosses Dilemma
An der Generalversammlung von SolidarMed wurde nicht nur das vergangene erfolgreiche Jahr 2023 Revue passiert. Ausgehend von der politischen Debatte zur Mitfinanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine drehte sich das anschliessende Gespräch um Gerechtigkeit.
«Gerechtigkeit ist immer eine Ermessensfrage», so brachte Bernadette Peterhans, SolidarMed-Vizepräsidentin, das Dilemma auf den Punkt. Wie entscheiden wir als Gesellschaft, wem wir Unterstützung zukommen lassen und wem nicht? Nach der Generalversammlung von SolidarMed im Mai hielt die Vizepräsidentin den Input zur Diskussion «Lautes Leid gegen stille Not – Wo ist die Gerechtigkeit?» zusammen mit Barbara Kruspan, Länderdirektorin von SolidarMed in Mosambik. Diese beschrieb eindrücklich auch das Dilemma in einem von stiller Not betroffenen Land: Internationale Firmen, die vor Ort Bodenschätze gewinnen, und eine Bevölkerung, die von grosser Armut betroffen ist und spärlichen Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung hat.
Neben Barbara Kruspan diskutierten nach dem Input Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, und Bernhard Steiner, SVP-Kantonsrat und Kinderarzt, angeregt. Die UNO verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandproduktes in die Entwicklungszusammenarbeit investieren. Dieses Ziel erreicht die Schweiz seit Jahren nicht. Damit stieg Moderator Jérôme Martinu, ehemaliger Chefredaktor der Luzerner Zeitung, ins Gespräch ein.
Schnell wurde das Spannungsfeld zwischen lautem Leid und stiller Not deutlich: Barbara Kruspan machte klar, dass es hart sei, finanzielle Mittel entweder den einen oder anderen Krisen zuzusprechen. «Es ist für mich eine Frage der Gerechtigkeit, dass wir anerkennen, dass wir von den armen Ländern profitieren», ergänzte sie ihre Präsentation, in der sie auf die Gas-, Edelstein- und Grafit-Vorkommen in Mosambik hinwies, von denen nicht die lokale Bevölkerung profitiert. Internationale Zusammenarbeit sei für sie eine Möglichkeit für den globalen Norden, etwas zurückzugeben.
Anders sah das Bernhard Steiner: Zurückgeben sollten die Empfängerländer, die den Geberländern zumindest schuldig seien, Abmachungen einzuhalten. Andreas Missbach entgegnete, dass jedes Kinderleben, das gerettet werden könne, eine sehr gute Investition sei. Barbara Kruspan betonte, dass nicht auf dem Rücken des globalen Südens gespart werden dürfe. «Deshalb» wünscht sie sich zum Abschluss der Diskussion, «müssen wir die Herzen offenhalten und nicht vergessen, dass es noch eine andere Welt gibt als unsere in der Schweiz.» Kürzungen bei der stillen Not, gerade im von Armut gebeutelten Mosambik, könnten verheerende Folgen für die Menschen vor Ort haben.
Drohende Budgetkürzungen – auch für SolidarMed
Der Bundesrat hat Mitte Mai 2024 die Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 verabschiedet. Er hält darin an der Finanzierung der Ukraine-Hilfe in der Höhe von 1,5 Mia. Franken auf Kosten des Globalen Südens fest. Zudem entschied der Ständerat im Juni 2024, die Hälfte der vier Milliarden für die Erhöhung der Armeeausgaben ebenfalls bei der Internationalen Zusammenarbeit (IZA)einzusparen. Würden all diese Kürzungen getätigt, würde Alliance Sud zufolge das Budget der IZA um einen Drittel schrumpfen: «Die 500 Millionen Franken pro Jahr, die wegfallen würden, sind deutlich mehr Geld als die gesamte Unterstützung der Schweiz für Afrika», heisst es in einer Mitteilung. Wie das Parlament entscheidet, wird sich im Herbst zeigen.
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