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17.11.2023

Die ersten Minuten entscheiden

In Tansania sterben jährlich rund 45’000 Neugeborene aufgrund unzureichender medizinischer Versorgung. In einem dreijährigen Projekt verbessert SolidarMed die Überlebenschancen von Frühgeborenen und untergewichtigen Neugeborenen in der ländlichen Region Morogoro und setzt dabei auf eine bewährte Methode.

Die hügelige Kleinstadt Mahenge ist noch von morgendlichem Nebel bedeckt, durch das saftige Grün der Bäume weht eine feuchte Brise. Auf der Geburtenstation im Distriktspital herrscht bereits reger Betrieb. Soeben hat eine junge Frau einen kleinen Jungen zur Welt gebracht. Doch der Geburtsschrei bleibt aus. Pflegefachfrau und Hebamme Leticia Mwamlambo realisiert sofort, dass etwas mit der Atmung des Babys nicht stimmt und die Situation sehr kritisch ist. Nun muss es schnell gehen, denn bei Neugeborenen entscheidet jede Minute über Leben und Tod. Mithilfe einer Beatmungsmaschine, die SolidarMed vor kurzem beschaffte, gelingt es ihr, die Atmung des Kindes anzuregen und zu stabilisieren.

Durch den Aufbau einer spezialiserten Abteilung für Früh- und Neugeborene im Distriktspital Mahenge wird Hebamme Leticia Mwamlambo künftig mehr Möglichkeiten haben, um lebensgefährdete Neugeborene zu behandeln.

Nasra Kilombas* Sohn Samwel* hat sich dank der Lichttherapie am Mahenge-Spital schnell von seiner Gelbsucht erholt.

»Das Schlimmste ist, wenn man weiss, was zu tun wäre, aber die Ausrüstung dazu nicht hat. Das ist traurig und frustrierend.«

Leticia Mwamlambo, Pflegefachfrau und Hebamme im Distriktspital Mahenge

«In dieser Situation hätte ich noch vor einigen Wochen wenig machen können, weil wir keine Ausrüstung zur Verfügung hatten», kommentiert die 36-Jährige. Seit über zehn Jahren kümmert sie sich um Mütter und ihre Neugeborenen. Es sei ein anspruchsvoller Job, sagt sie, denn vielerorts fehlt es an medizinischer Infrastruktur und ausreichend geschultem Personal. 

Ein sicherer Start ins Leben

Dank SolidarMed hat sich die Situation am Mahenge-Spital bereits stark verbessert: Das Distriktspital ist eines von drei Spitälern in der ländlichen Region Morogoro, deren Abteilungen für Neugeborene mit der Unterstützung von SolidarMed ausgebaut werden. Dadurch konnten in Mahenge bereits medizinische Geräte, wie die erwähnte Beatmungsmaschine, beschafft werden – der Ausbau der Abteilung ist noch im Bau. Zuvor fehlte die notwendige Infrastruktur, um insbesondere Frühgeborene und Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht versorgen zu können. Doch nicht nur medizinische Geräte sind entscheidend, auch Wissen ist essenziell. Deshalb werden die Fachpersonen an den Spitälern in der Versorgung von untergewichtigen Frühgeborenen geschult. So sollen sich die Überlebenschancen von jährlich 12’000 Neugeborenen im Einzugsgebiet der drei Gesundheitseinrichtungen merklich verbessern.

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Das ist dringend nötig, denn die Sterblichkeit bei Neugeborenen in Tansania ist mit 20 Todesfällen auf 1’000 Lebendgeburten erschreckend hoch. Zum Vergleich: In der Schweiz liegt diese bei 3. In ländlichen und schwer zugänglichen Gebieten Tansanias liegt die Rate noch höher. Obschon die Regierung das Engagement zur Senkung der Sterblichkeitsrate in ihrer aktuellen Gesundheitsstrategie bekräftigt, ist das Land noch weit davon entfernt, das UNO-Nachhaltigkeitsziel von maximal 12 Todesfällen auf 1’000 Lebendgeburten bis ins Jahr 2030 zu erreichen. Die mangelhafte medizinische Versorgung von Früh- und Neugeborenen in den ersten Stunden nach der Geburt ist ein wichtiger Grund dafür: Das Risiko, an Atemnot, Unterkühlung oder anderen Komplikationen zu sterben, ist in dieser Zeit besonders hoch. Die Fachkräfte in den Gesundheitseinrichtungen müssen deshalb bei Bedarf schnell reagieren können.

Die Känguru-Methode hilft dem Baby, die eigene Körpertemperatur zu regulieren, und stärkt dessen Widerstandsfähigkeit gegen Infektionen und Krankheiten.

Die Hebamme Lilly Rwabutembo wurde von SolidarMed in der Versorgung von untergewichtigen Frühgeborenen geschult.

Die Hebamme Lilly Rwabutembo ist seit zehn Jahren am Regionalspital in Morogoro tätig.

Mariam Ongala* beim wöchentlichen Treffen auf der Abteilung für Früh- und Neugeborene im Regionalspital in Morogoro. 

Vor einigen Monaten wurde auch am Referenzspital der Regionshauptstadt Morogoro eine Frühgeborenen-Station fertiggestellt. Die dort stationierten Frauen haben ihre Babys sehr früh geboren und können dank der spezialisierten Abteilung nach der Geburt noch einige Tage im Spital verbringen. Um die Privatsphäre der Patientinnen zu gewährleisten, ist die Frühgeborenen-Station vom restlichen Teil der Geburtenstation getrennt – im grosszügigen Raum herrscht eine ruhige Atmosphäre.

«Viele der Mütter hier hatten Komplikationen während der Geburt. Sie haben Angst, etwas falsch zu machen, und brauchen Unterstützung, damit sie sich im Umgang mit ihrem untergewichtigen Neugeborenen sicher fühlen.»

Lilly Rwabutembo, Pflegefachfrau und Hebamme im Regionalspital in Morogoro

Die Hebamme und Pflegefachfrau Lilly Rwabutembo betreut und begleitet die Frauen und gibt ihnen ihr Wissen weiter: «Viele der Mütter hier hatten Komplikationen während der Geburt. Sie haben Angst, etwas falsch zu machen, und brauchen Unterstützung, damit sie sich im Umgang mit ihrem untergewichtigen Neugeborenen sicher fühlen», erzählt die Hebamme. Während sie spricht, kleidet sie ein wenige Tage altes Baby ein, das sie zuvor gebadet hat. Sie erklärt den Müttern auch die Grundsätze der Känguru-Methode. Idealerweise trägt die Mutter – oder eine andere Betreuungsperson – das Frühgeborene während mindestens acht Stunden am Tag direkt auf der Haut – und das während mehreren Wochen. Das stellt für viele Frauen eine Herausforderung dar, weiss die Hebamme: «Viele Mütter praktizieren die Känguru-Methode zuhause nicht gleich konsequent», sagt sie. Umso wichtiger seien die wöchentlichen Nachkontrollen nach der Entlassung aus dem Spital. Die Mütter kommen hierzu jeden Freitag zurück auf die Station und lassen das Gewicht und den Gesundheitszustand ihres Babys kontrollieren.

Die kleine Zawadi («Geschenk») kann mit lediglich 600 Gramm zur Welt. Dank der Känguru-Methode wiegt sie mit zwölf Wochen 2,6 Kilogramm.

«Auch ich dachte früher, dass ein Frühgeborenes mit möglichst vielen Tüchern zugedeckt und so warm gehalten werden muss.» 

Mariam Ongala *, Mutter eines frühgeborenen Mädchens.

Eine dieser Frauen ist Mariam Ongala*. Ihre Tochter kam im sechsten Schwangerschaftsmonat mit gerade mal 600 Gramm zur Welt. Es ist ihr einziges Kind – zuvor erlitt sie fünf Fehlgeburten. «Sie ist unser Geschenk. Deshalb haben wir ihr den Namen Zawadi gegeben», sagt sie und streicht dem kleinen Mädchen sanft die Stirn. Zawadi bedeutet Geschenk auf Swahili. Ihre Hingabe zeigt sich auch bei der Känguru-Methode, die sie mit grosser Ausdauer anwendet. «Mein Umfeld reagierte zuerst erstaunt, weil sie es nicht verstanden haben», erinnert sie sich. «Auch ich dachte früher, dass ein Frühgeborenes mit möglichst vielen Tüchern zugedeckt und so warm gehalten werden sollte». Dann lernte sie, dass sich das Einwickeln stattdessen negativ auswirkt, weil die Babys ihre Körpertemperatur durch die dicken Schichten nicht mehr regulieren können. Mariams Durchhaltewille im Anwenden der Känguru-Methode zahlt sich nun aus: Beim Gesundheitscheck schneidet die zwölf Wochen alte Zawadi gut ab und die Waage zeigt bereits 2,6 Kilogramm an. «Ich freue mich über jedes Gramm», sagt Mariam gerührt.

Station bald betriebsbereit

Im über 250 km entfernten Mahenge neigt sich der Arbeitstag von Leticia Mwamlambo langsam dem Ende zu. Sie ist heute länger geblieben, um den neugeborenen Jungen mit den Atemproblemen zu überwachen: «Sein Zustand ist nun stabil. Ich konnte ihn eben von der Beatmungsmaschine nehmen», erzählt sie strahlend. Während sie spricht, betritt sie ein anderes Zimmer, aus dem ein blauer Schimmer hervordringt. Auf einem erhöhten Tisch liegt ein Neugeborenes unter einem blaugrünen Licht. «Der kleine Samwel * kam zu früh zur Welt und hat eine starke Gelbsucht entwickelt», sagt die Hebamme, während sie das Baby untersucht. Er kann dank der neuen Lampe effektiv behandelt werden. Zuvor habe sie den Müttern lediglich raten können, mehrmals am Tag mit ihren Babys an die Sonne zu gehen – was keine ideale Lösung sei. Der voranschreitende Anbau im Distriktspital in Mahenge lässt bereits erahnen, wie die Station für Frühgeborene und untergewichtige Neugeborene schon bald aussehen wird. Durch die Erweiterung soll in Zukunft genügend Platz vorhanden sein, damit Mütter die Känguru-Methode unter fachlicher Anleitung lernen und anwenden und die Neugeborenen ideal versorgt werden können. «Der Raum wird sich schnell füllen», ist sich Leticia sicher und fügt hinzu: «Ich erhoffe mir, dass wir viele Leben retten können».

*Name zum Schutz der Person geändert.

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