19.11.2020
Engagement für die globale Gesundheit
Die medizinische Biologin Jennifer Brown erforscht in Lesotho und Tansania in Zusammenarbeit mit SolidarMed Medikamentenresistenzen bei HIV-infizierten Kindern und Jugendlichen. SolidarMed hat die 29-jährige Doktorandin zu einem Gespräch getroffen.
Dieses Gespräch findet kurz vor der Abreise von Jennifer Brown ans St. Francis-Spital in Ifakara, Tansania, statt. Schon einmal war sie diesen Frühling dort: Genau eine Nacht. Und dann musste sie auf Anordnung des Bundes notfallmässig in die Schweiz zurückkehren: Covid-19-Pandemie. Auch jetzt sind die Unsicherheiten gross. Vor dem Abflug wird sie einen Covid19-Test machen müssen, damit sie überhaupt ins Flugzeug nach Tansania einsteigen darf. Corona habe die ganzen Forschungsarbeiten um Monate verzögert, sagt die Doktorandin ruhig: «Aber jetzt möchte ich endlich mit den Leuten vor Ort zusammenarbeiten können.»
Jennifer Brown hat Zell- und Molekularbiologie an der ETH Zürich studiert. Doch sie merkt rasch: Forschungsarbeiten mit Labormäusen sind nicht ihr Ding. «Ich suchte nach einer Forschungsarbeit, die Menschen direkt helfen kann.» Und so bleibt sie nach Abschluss ihres Masters an der ETH und schliesst direkt ein Nachdiplomstudium am NADEL, dem Zentrum für Entwicklungszusammenarbeit, an. Ihr Ziel: eine Forschungstätigkeit, in der sie ihre frisch gewonnene Laborexpertise mit Fragen der globalen Gesundheit verbinden kann. Niklaus Labhardt, HIV-Spezialist am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH), kann ihr diesen Wunsch erfüllen. Er schickt Jennifer Brown 2018 für ihren Projekteinsatz nach Lesotho, um im Spital von Seboche ein Labor zur Messung der viralen Medikamentenresistenz weiter aufzubauen: Schulung des Personals, Sicherstellung von Reagenzien, Optimierung der Laborprozesse. «Das südliche Afrika war mir bereits sehr vertraut», sagt die 29-jährige Forscherin mit Wurzeln in Südafrika.
Patientinnen und Patienten profitieren von neuen wissenschaftliche Erkenntnissen
Jennifer Brown etabliert zusammen mit dem SolidarMed Lesotho-Team, dem Laborteam in Seboche und der Gruppe für Molekulare Virologie an der Universität Basel ein modernes Diagnostiklabor zur Messung der viralen Medikamentenresistenz im Blut von HIV-Patientinnen und -Patienten. «Die persönliche Atmosphäre und die Arbeitskultur von SolidarMed in Lesotho haben mich sehr beeindruckt», sagt die Forscherin. Auch sei ihr schnell bewusst geworden, welche Rolle SolidarMed in Lesotho als Partnerin des Gesundheitsministeriums spielen kann. «Neue wissenschaftliche Erkenntnisse fliessen schnell in die nationale Gesundheitsversorgung. Davon profitieren die Patientinnen und Patienten.»
Das Projekt ging nahtlos in ihre Doktorarbeit über, die sie derzeit am Swiss TPH und an der Universität Basel absolviert. Sie studiert einen wichtigen Aspekt in der Behandlung von HIV-betroffenen Jugendlichen: Die Bildung von Resistenzen gegen HIV-Medikamente. Bei HIVPatient/innen, die zum Beispiel ihre Medikamente nicht regelmässig einnehmen, verlieren die Medikamente ihre Wirkung. Die HI-Viren bilden Resistenzen und ein Ausbruch der Krankheit Aids droht. Der Umstieg auf andere, meist teurere Medikamente wird notwendig. Zudem sind diese Medikamente oft schwerer verträglich und damit eine zusätzliche Belastung für die Patient/innen.
Forschungsarbeit soll Entscheidungsgrundlage liefern
In der Schweiz werden Medikamentenresistenzen mit aufwendiger Labortechnik entdeckt. In weiten Teilen Afrikas ist diese Technologie nicht vorhanden. Das erschwert den Entscheid für den Arzt, auf andere Medikamente zu wechseln. Jennifer Brown untersucht nun bei jugendlichen HIV-Patient/innen in Tansania und Lesotho, ob ein Einsatz der Labortechnik auch in diesen Gegenden der Welt klinisch sinnvoll und kosteneffektiv sein könnte. Die Arbeit hinterfragt damit auch die heutige Haltung in der globalen Gesundheit, dass gewisse moderne Methoden und Technologien aus praktischen oder finanziellen Gründen in Afrika nicht umsetzbar sind. «Die Frage ist offen», sagt sie. «Meine Forschungsarbeit soll Entscheidungsgrundlagen liefern.» Die Resultate dienen Gesundheitspolitikern in afrikanischen Ländern, aber auch bei der WHO, um die knappen finanziellen Mittel in der Behandlung von HIVPatient/innen effektiv einzusetzen.
Mehrwert schaffen für HIV-betroffene Menschen
Jennifer Brown plante die Studie, schrieb die Forschungsgesuche für Geldgeber, holte Bewilligungen bei den Ethikkommissionen ein und leitete die Schulungen zusammen mit den klinischen Teams in Tansania und Lesotho. Um nur einige der vielzähligen Aufgaben im Rahmen ihrer Forschung zu nennen. Viel Verantwortung auf den Schultern der jungen Forscherin. Was sie sich von all diesem Aufwand erhofft: «Ich möchte einen Mehrwert schaffen für HIV-betroffene Menschen.» Jetzt freut sie sich, dass die Studie nach dem Start im Frühling nun in beiden Ländern weitergeführt werden kann.