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28.11.2019

Tuk-Tuk-Ambulanz in Mosambik

Tuk-Tuks sind langsam, doch sie funktionieren auch in Regionen grosser Armut. SolidarMed forscht gemeinsam mit ETH Lausanne-Forscher Sashidhar Jonnalagedda am Taxi mit Ambulanzfunktion.

Was macht ein Ambulanzsystem in Chiúre so herausfordernd?
Die Distanzen in diesem ländlichen Distrikt sind immens. In den Dörfern gibt es selten geeignete und bezahlbare Transportmittel, weshalb Laufen die einzige Möglichkeit zur Fortbewegung ist. In der Folge findet jede zweite Geburt zu Hause im Dorf statt, ohne medizinische Begleitung. Den meisten schwangeren Frauen bleibt keine Wahl, da ihnen das Fahrzeug oder das Geld für einen Transport fehlt.

Es gibt also keine Ambulanz?
Jein. Jedes Distriktspital hat ein Fahrzeug, das zeitweise fahrtauglich ist. Damit werden Notfälle in ein Regionalspital gebracht. Doch es bleibt die Lücke zwischen
den Dörfern und deren Gesundheitszentren, die im Durchschnitt zehn Kilometer entfernt sind.

Ambulanzen gibt es rund um die Welt. Warum kopieren Sie nicht ein anderswo funktionierendes Modell? 

In Indien gibt es eine Vielzahl von Systemen, darunter auch sehr innovative wie «Uber for emergencies». In Israel leisten «United Haztalah» beeindruckend Notfallhilfe durch ein riesiges Netzwerk von Freiwilligen. Als Inspiration sind solche Modelle sehr wichtig. Überall auf der Welt gilt jedoch: Ambulanzen transportieren ihre Patienten dann zuverlässig, wenn die Finanzierung
gewährleistet ist. Im wirtschaftlich desolaten Norden Mosambiks ist dies enorm schwierig.

Wie gehen Sie an dieses komplexe Problem heran?
SolidarMed hat bereits entscheidende Vorarbeit geleistet. Vor über zehn Jahren fuhren die ersten Veloambulanzen, von denen heute noch einige im Einsatz sind. Diese sind zwar günstig im Unterhalt, aber durch die Witterungseinflüsse und Distanzen limitiert. Aus dieser Erfahrung wuchs die Idee mit den Tuk-Tuk-Ambulanzen. In den letzten zwei Jahren hat SolidarMed dieses System getestet.

Was kam dabei heraus?
Bei meinem dreiwöchigen Besuch in Chiúre sah ich das Potenzial der Tuk-Tuk-Ambulanzen. Spendet man ein Fahrzeug, geht die Rechnung für die Fahrer und Patientinnen auf. Die einen
haben einen Job zum Leben und führen für Schwangere die Notfalltransporte kostenlos durch. Doch es fehlt momentan das Geld, um das Tuk-Tuk zu ersetzen, wenn es nötig wird. Diese ökonomische Herausforderung zu lösen, ist Teil meiner Aufgabe.

Haben Sie schon eine Idee?
Wir möchten an drei Punkten ansetzen: In Chiúre gibt es unerschlossenen Bedarf an Transport- und Taxidiensten. Wenn beispielsweise alle Ambulanz-Taxis einheitlich aussehen, werden sie bekannter und mehr Kunden anlocken. Gleichzeitig überlegen wir, was es braucht, um die laufenden Kosten zu senken. Hier prüfen wir einen Wechsel auf solarbetriebene Tuk-Tuks. Am wichtigsten für das langfristige Bestehen ist eine zentrale Organisation, die alles managt.

Dann zieht sich SolidarMed zurück?
Das ist immer das Ziel der Projekte. Sinnvoll wäre eine Genossenschaft, die funktionierende Fahrzeuge vermietet und deren Wartung sicherstellt. Für zusätzliche Einnahmen könnten sie die
Taxidienste ausweiten, wie beispielsweise Fisch in die Dörfer liefern. Die Solartankstellen liefern genügend Strom, um einen Kühlschrank zu betreiben, um die Fische zu lagern. Nicht zuletzt bedeutet dies einen Beitrag zu einer vielseitigeren Ernährung. Als Ingenieur träume ich natürlich auch von technischen Lösungen wie die Integration eines Callcenters in Kombination mit GPS-Tracking, um effiziente Fahrten zu garantieren.

Was wünschen Sie sich für die Tuk-Tuk-Ambulanz?
Wenn unsere Massnahmen tatsächlich dazu führen, das Modell langfristig zu betreiben, hat es ein enormes Potenzial an Replizierbarkeit, Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit. Dann hat Mosambik das Ambulanzsystem, das zum Land passt und die Lücke zwischen Patient/innen und Dörfern zu schliessen vermag.

 

Sashidhar Jonnalagedda ist leitender Entwickler bei SurgiBox, an dem unter anderem das EssentialTech Centre der ETH Lausanne beteiligt ist. Das Bild zeigt ihn im Gespräch mit Michael Hobbins, dem Verantwortlichen für die Tuk-Tuk-Ambulanz bei SolidarMed.

Die Tuk-Tuk-Ambulanz
Im Rahmen eines Pilotprojekts vermietet SolidarMed Fahrzeuge günstig an einheimische Taxifahrer. Diese verdienen durch Waren- und Personentransporte ihren Lebensunterhalt und verpflichten sich, bei einem Notruf unverzüglich schwangere Frauen gratis von ihrem Dorf ins nächstgelegene Gesundheitszentrum zu fahren. GPS-Tracking hilft, die Effizienz des Tuk-Tuks zu testen und zu verbessern.

Die Tuk-Tuk-Ambulanz unterwegs - hier mit unserem Botschafter Nik Hartmann.