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14.11.2022

«Ich will Ärztin werden.»

Kinder und Jugendliche mit HIV werden in Kenia medizinisch und psychologisch kaum begleitet. Zu gross ist das Stigma, zu lähmend die weitverbreitete Armut. Die lokale Partnerorganisation DAMKA unterstützt dank SolidarMed mittlerweile über 250 Kinder, damit sie die Hoffnung auf ein normales Leben nicht verlieren.

Die 14-jährige Mary (rechts) erhält Besuch von Vivian, die früher ebenfalls von DAMKA unterstützt wurde und nun ihre Erfahrung weitergibt.

Die enge Betreuung von Mary ist wichtig. Sie ist genau in dem Alter, in dem es für viele Menschen mit HIV besonders schwierig wird.

Kenia «Wie geht es dir?», fragt Vivian die 14-jährige Mary*. Sie sitzen nebeneinander auf einem alten Sofa in einem Lehmhaus in der Nähe von Butere. Hier, im tropischen Westen von Kenia, lebt Mary mit ihren Eltern und ihren fünf Geschwistern. Alle sind HIV-infiziert. Wie die meisten Menschen in der Gegend lebt die Familie von der Subsistenzwirtschaft. Die Eltern bauen ganzjährig Mais und Gemüse an, vor dem Haus grast eine Kuh neben ihrem frischgeborenen Kalb.

«Mir geht es gut», antwortet Mary, «ich fühle mich gesund. Und schau, hier sind meine Noten vom letzten Quartal». Die 21-jährige Vivian, selbst HIV-positiv und heute Mitarbeiterin von DAMKA, schaut das Zeugnis an und notiert sich etwas im aufgeschlagenen Ordner.

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Sie hält nicht nur fest, was Mary erzählt, sondern beobachtet auch, welchen äusserlichen Eindruck Mary macht. Falls sie beispielsweise Ausschläge hätte, würde das auf eine zu hohe Virenlast hindeuten. Dann nimmt Vivian die Medikamentendose von Mary und zählt die übrigen Tabletten. Sie nickt zufrieden. «Alles in Ordnung.»

Medikamente alleine reichen nicht
Die enge Betreuung von Mary ist wichtig. Sie ist genau in dem Alter, in dem es für viele Menschen mit HIV besonders schwierig wird. Die Krankheit ist in Kenia so stigmatisiert, dass die meisten Kinder und Jugendlichen nicht einmal ihren besten Freund:innen davon erzählen. Die Angst, ausgeschlossen zu werden, ist gross. Doch spätestens wenn sie in die Sekundarschule wechseln, die hier häufig als Internat geführt ist, wird das Geheimhalten schwierig. Die Gefahr steigt, dass die Schüler:innen ihre Medikamente nicht mehr regelmässig einnehmen oder gar absetzen.

«Kinder und Jugendliche mit HIV brauchen mehr als nur Zugang zu Medikamenten»

Carolyne Mabunde, Geschäftsleiterin von DAMKA

Dazu kommt, dass einige überhaupt erst in diesem Alter den wahren Grund erfahren, warum sie seit ihrer Kindheit täglich Medikamente einnehmen müssen. Sie hatten vielleicht schon von HIV gehört, aber nicht gewusst, dass sie selbst infiziert sind. Ihre Familie wollte sie vor der Stigmatisierung schützen. Die HIV-Diagnose im Teenageralter kommt dann wie ein Schock. Viele haben Mühe zu akzeptieren, dass diese Krankheit sie ein Leben lang begleiten wird. Als Folge dieser schwierigen Umstände sind Jugendliche mit HIV besonders häufig krank, verpassen den Unterricht, sind grossem psychischem Stress ausgesetzt und verlieren die Hoffnung auf ein normales, gesundes Leben.

Weil sie Ihre Krankheit nicht akzeptieren konnte, war Vivian in Lebensgefahr: Heute ist sie ein Vorbild für andere.

«Kinder und Jugendliche mit HIV brauchen mehr als nur Zugang zu Medikamenten», betont daher Carolyne Mabunde. Sie ist Geschäftsleiterin von DAMKA, der lokalen Partnerorganisation von SolidarMed. «Sie müssen die Medikamente nicht nur haben, sondern sie auch einnehmen können und wollen», sagt sie. Dennoch fehlt es im ländlichen Butere gerade für Jugendliche an Angeboten, die auf sie zugeschnitten sind. Sie holen ihre Medikamente normalerweise nur alle drei Monate im kleinen Spital ab – was in der Zwischenzeit passiert, darüber haben die Mitarbeitenden des Spitals keine Kontrolle. «Wir können nicht wissen, ob die Kinder ihre Medikamente korrekt einnehmen, wie der Alltag in der Familie und in der Schule läuft und ob jemand dringend psychologische Unterstützung braucht», erklärt Sharon Walata, Gesundheitsfachkraft am Butere-Spital.

«Ich möchte, dass sich die Kinder und Jugendlichen mit ihrer Krankheit nicht allein gelassen fühlen»

Vivian, Peer-Mentorin bei DAMKA

Um das Angebot für Kinder und Jugendliche mit HIV zu verbessern, gründete Carolyne Mabunde im Jahr 2012 die Organisation DAMKA (Don Amolo Memorial Kids Ark). Der Name trägt ihrem Bruder Don Amolo Rechnung, der einige Jahre zuvor an Aids gestorben war. Derzeit wird DAMKA vollständig von SolidarMed finanziert und unterstützt mittlerweile über 250 HIV-infizierte Kinder und Jugendliche in Butere. Neben individuellen Hausbesuchen wie bei der 14-jährigen Mary arbeitet das Team eng mit den Schulen und Berufsbildungszentren zusammen. Ausgewählte Lehrpersonen wissen Bescheid über die Erkrankung des jeweiligen Kindes und können DAMKA zu Rate ziehen, wenn Probleme auftreten. Ausserdem nehmen alle Begünstigten des Projekts an den sogenannten Club Meetings teil. An diesen monatlichen Treffen erhalten sie unter anderem Infos rund um HIV und Aids und können sich mit anderen Betroffenen austauschen.

Ein Vorbild für andere
Welchen Unterschied eine enge Betreuung und der Austausch mit Gleichaltrigen machen kann, weiss die 21-jährige Vivian nur zu gut. Als die Mitarbeiter:innen von DAMKA sie als Zwölfjährige kennenlernten, war sie voller Wunden und Ausschläge. «Ich hatte jahrelang Mühe zu akzeptieren, dass gerade ich von meiner Mutter mit HIV angesteckt wurde, aber meine Geschwister nicht», erzählt sie. Es zu verdrängen und ihre Medikamente nicht einzunehmen habe aber alles noch schlimmer gemacht, weil sie ständig krank gewesen sei.

Berufslehren geben Jugendlichen eine Chance, die krankheitshalber Schulstoff verpassten und keine Sekundarschule besuchen können.

Als 14-Jährige schwebte sie gar in akuter Lebensgefahr. Das Spital in Butere wandte sich an DAMKA, die sie fortan eng begleitete. Erst durch diese Unterstützung und die Tatsache, dass mittlerweile beide Eltern an Aids verstorben waren, schaffte sie es endlich, ihre Medikamente regelmässig einzunehmen. Mittlerweile studiert sie sogar an der Universität und ist ein grosses Vorbild für andere.

Mit Hausbesuchen wie bei Mary und mit Vorträgen am monatlichen Club Meeting gibt sie ihre Erfahrung an jüngere Betroffene weiter. «Ich möchte, dass sich die Kinder und Jugendlichen mit ihrer Krankheit nicht allein gelassen fühlen», sagt sie. «Sie sollen wissen, dass sie trotz HIV ein normales Leben führen können». Deshalb ist Vivian nun während den Semesterferien für DAMKA als Peer-Mentorin unterwegs und inspiriert mit ihrer Geschichte viele andere Betroffene. Sie kennt viele Kinder und Jugendliche, die mithilfe von DAMKA einen guten Umgang mit ihrer Krankheit gefunden haben. Einige davon wurden ihre engsten Freund:innen.

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Gegen Armut und Vorurteile
Eine grosse Herausforderung bei der Betreuung von HIV-infizierten jungen Menschen bleibt die weitverbreitete Armut. «Wir können einer armen Familie nicht sagen, sie sollen ihr Kind ins Spital bringen, wenn sie nicht einmal Geld für Essen haben», erklärt DAMKA-Leiterin Carolyne Mabunde. Gerade Familien mit kranken Kindern investieren auch nicht in deren Schulbildung, aus Angst, die Investition zahle sich nicht aus. Armut und mangelnde Bildung wiederum fördern Vorurteile gegenüber Menschen mit HIV.

Seit DAMKAs Gründung vor zehn Jahren rückte daher neben der medizinischen und psychologischen Unterstützung von Betroffenen die Bekämpfung von Armut immer stärker in den Fokus. Bei fast allen Kindern und Jugendlichen im Projekt hilft DAMKA bei der Finanzierung von Schuluniformen und Prüfungsgebühren. Damit erhalten die Kinder Zugang zu Bildung und haben trotz HIV eine Zukunft. DAMKA organisiert bei Bedarf auch den raschen Transport ins Spital und finanziert die Behandlungskosten, damit die Schüler:innen keinen Unterricht verpassen. In manchen Fällen ermöglicht die Organisation auch kleinere Renovationen an Häusern und Toiletten, um akute hygienische Missstände zu beheben, oder schenkt Familien eine Ziege zur Verbesserung ihrer ökonomischen Situation.

Seit SolidarMed das Projekt im Jahr 2020 von der Stiftung Aids & Kind übernommen hat, kann DAMKA ausserdem gezielt in Berufsbildung investieren. Sie ist insbesondere für jene Jugendlichen eine grosse Chance, die wegen Armut und tiefem Notenschnitt keine Sekundarschule besuchen können. 16 von DAMKA unterstützte Jugendliche besuchen momentan eine zweijährige Berufslehre an einem Berufsbildungszentrum.


* Die Namen wurden zum Schutz der Privatsphäre anonymisiert.

Kinder und Jugendliche des Projekts

Lernen Sie einige der Kinder und Jugendlichen kennen, die mit der Unterstützung durch SolidarMed und die lokale Partnerorganisation DAMKA wieder Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben gefunden haben.